„Ich krabble auch mal auf dem Boden“
HÖRENSAGEN, Folge 5: Auf Augenhöhe mit den Kleinsten
In unserer Rubrik HÖRENSAGEN berichten Kolleginnen und Kollegen – ob besonderer Werdegang, spannende Geschichte oder interessante Einblicke. Heute: Simone. Hörverlust ist kein reines Altersproblem, sondern kann auch schon bei Neugeborenen, Kleinkindern oder Jugendlichen auftreten. Als Pädakustikerin ist Simone extra für die Beratung und Hörgeräteanpassung bei den Jüngsten ausgebildet. Im Gespräch verrät sie, dass sie dafür auch manchmal gar nicht so bequeme Posen einnimmt – und warum gerade diese Termine trotzdem immer eine Freude sind.
Liebe Simone, du bist schon seit fast zehn Jahren Meisterin, seit über drei Jahren jetzt auch Pädakustikerin. Warum hast du dich noch für diesen Schritt entschieden?
Simone: Ich liebe Kinder einfach! Selbst habe ich keine Kinder, aber mir macht der Umgang mit ihnen einfach so viel Spaß. Kinder sind so unbedarft, so unvoreingenommen. So sind wir Erwachsenen gar nicht mehr. Ich finde es toll, dass mir diese Weiterbildung ermöglicht worden ist und ich Kinder an das Thema Hörgerät heranführen kann.
Was macht die Betreuung von Kindern besonders?
Simone: Man ist selbst wieder Kind. Wenn ich Kinder betreue, sitze ich nicht auf dem Stuhl. Ich sitze auf dem Boden, bewege mich im Vierfüßlerstand oder krabble auch mal auf dem Boden. Ich muss mich auf die Kinder voll einlassen, das funktioniert nur so.
Lassen sich im Schneidersitz auf dem Boden auch die Eltern betreuen?
Simone: Das ist ein Spagat. Ich arbeite dann in der Kinderwelt, muss gleichzeitig aber professionell und fachkundig sein. In der Regel funktioniert es ganz gut. Wenn die Kinder in unserer Spielecke spielen, kann ich mich gut um die Eltern kümmern. Dieses Vertrauen, dass die Kinder sich bei uns so wohlfühlen und alleine spielen, ist sehr wichtig. Trotzdem gibt es natürlich Momente, in denen ich auch vom Boden aus mit den Eltern rede.
Beim Gespräch mit den Eltern gibt es sicher oft Bedenken oder auch Ängste, die du dann nehmen musst.
Simone: Natürlich. Oft reden wir schon vorher am Telefon, wenn ein Termin ausgemacht wird oder ich bitte nochmal um ein Telefonat. So können wir ganz in Ruhe die grundlegenden Dinge besprechen oder Fragen der Eltern klären. Das mache ich ganz unkompliziert, damit es bei uns im Fachgeschäft nicht unnötig lange dauert. Kinder haben oft keine allzu lange Aufmerksamkeitsspanne, gerade wenn sie kleiner sind. Durch ein Telefonat vorab ist es für alle einfacher. Aber natürlich ist das mit eine große Herausforderung. Eltern wollen alles wissen – und das sollen sie ja auch.
Jetzt betreust du nicht nur Babys und Kleinkinder, sondern auch Teenager und Jugendliche. Wie dringt man zu Kindern in der Pubertät bei einem solchen Thema vor?
Simone: Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, man muss da unterscheiden, ob das Kind vorher schon Hörgeräteträger war oder es eine neue Situation ist und jetzt erst ein Hörgerät braucht. Meistens kriege ich den Zugang über technische Themen. Ich zeige dann, wie gut man die Geräte mit dem Smartphone verbinden und dann per App steuern kann. Das ist dann cool und damit lassen sie sich begeistern. Es gibt eben ein paar Features, auf die wir aufmerksam machen: Das ist dann auch bei Jugendlichen angesagt.
Gibt es technische Unterschiede zwischen Geräten für Kinder und für Erwachsene?
Simone: Nein. Die Kindergeräte sind genauso gut wie die Erwachsenengeräte. Und das zum Nulltarif.
Wie ist es, von einer Beratung eines Kindes in die bei einem Erwachsenen zu wechseln?
Simone: Ich kann da ganz gut den Schalter umlegen. Es kam auch schon vor, dass ich im Gang noch mit einem Kind herumgekrabbelt bin, während eine 80-jährige Oma schon gewartet hat. Das ist doch auch völlig in Ordnung. Ich verliere dadurch nicht an Autorität, die Kunden sehen dann nur, wie sehr wir uns einsetzen.
Wie oft kommt eine Kinderberatung vor?
Simone: Wir haben etwa 15 bis 20 Kids bei uns pro Jahr. Das heißt es ist ein Bruchteil verglichen zu den Erwachsenen. Deswegen ist jedes Mal ein kleines Highlight.
Warum ist das Hören bei Kindern so wichtig?
Simone: Das ist ganz simpel: Durch das Hören lernen sie auch die Sprache. Ohne Hören gibt es keine Kommunikation. Man braucht die Hörgeräte also dann, um am Leben teilzunehmen – egal ob im Kindergarten oder in der Schule. Denn dafür ist die Sprache der Schlüssel – und damit auch zu Bildung. Vielen Eltern ist diese Tragweite oft gar nicht bewusst. Deswegen möchten wir uns dafür Zeit nehmen.
Gibt es aus der Zeit mit den Kindern einen besonderen Moment, an den du dich gerne erinnerst?
Simone: Zwei sogar. Wir hatten bei uns ein sechs Monate altes Baby. Diagnose: hochgradig schwerhörig. Es hat nichts mitbekommen. Als wir dann die Hörgeräte das erste Mal getestet haben und eingesetzt haben, ist es voll erschrocken. Zunächst war es ganz irritiert und hat geweint, weil so viel passiert ist. Dann hat der Papa des Babys mit seinem Kind gesprochen und es war für alle ein besonderer Moment.
Und dann fällt mir noch die vierjährige Josefine ein. Sie wollte nach der Anpassung des Hörgerätes unbedingt malen – und dann hat sie mich gemalt.
Zum Abschluss noch ein paar schnelle Fragen: Dein Lieblingsgeräusch?
Simone: Vogelzwitschern.
Der Hörsinn ist der wichtigste Sinn, weil…
Simone: …ich damit andere Menschen hören kann.
Tee oder Kaffee?
Simone: Tee.
Facebook oder Instagram?
Simone: Instagram.
Berge oder Meer?
Simone: Berge.
Musik oder Podcast?
Simone: Musik.
Diese drei Lieder sollte jede und jeder einmal am Tag hören oder zumindest kennen:
Simone: Macklemore & Ryan Lewis mit Can´t hold us, Earth, Wind & Fire mit Boogie Wonderland und Tash Sultana mit Jungle.